Haltung zeigen - gegen Faschismus - Demo am 25.01.2024

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2024_01_25_gegen Rassismus
Datum:
Do. 25. Jan. 2024
Von:
Christoph Simonsen

Demonstration gegen Faschismus

Einfach Wahnsinn, was da gestern in unserer Stadt geschehen ist: Tausende am Sonnenhausplatz und auf der Hindenburgstraße und alle hatten nur eines im Sinn: Dass unsere Stadt eine bunte und vielfältige bleibt und jegliche Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit bei uns nichts verloren hat. Leider war die Übertragungsanlage ob der großen Menge von Menschen überfordert. Da der Wunsch heute an mich herangetragen wurde, meine Ansprache noch einmal nachlesen zu wollen, stelle ich sie gern hier ins Netz:

Zunächst möchte ich den Veranstalter*innen der Kundgebung danken, dass ich als Vertreter einer christlichen Kirche hier in Mönchengladbach heute zu Euch sprechen darf.

Es ist einige Jahre her, da die Künstlerin Rosemarie Trockel mit großen Lettern auf die Apsis Wand einer Kölner Kirche den Satz geschrieben hat: „Ich habe Angst“. Der Blick auf diese drei Worte erschien mir damals wie ein großer Schrei. Die überdimensional großen Buchstaben machten mir aber sofort deutlich: Dieses Bekenntnis ist nicht Ausdruck einer lähmenden, einer verschämten, einer isolierten Angst. Nein: Hier schreit jemand auf, will sich nicht beugen, schon gar nicht unterwerfen.

Ich habe Angst: als bekennender Christ – zumal als queerer Christ.

Ich habe Angst, dass sich in der nächsten Zeit auf widerwärtige Weise wiederholt, was sich nicht wiederholen darf: Dass freie Wahlen Teile unseres Landes in die Unfreiheit führen.

Ich habe Angst, dass wir die Gefahr nicht ernst genug nehmen, die ausgeht von den menschenverachtenden Parolen rechtsradikaler Gruppierungen.

Deshalb ist es für mich persönlich, aber auch als Vertreter einer christlichen Kirche so wichtig,– hier zu stehen und mit Euch gemeinsam ein deutliches Zeichen zu setzen. Wir dürfen nicht schweigen, denn es kann ein „zu spät“ geben, wenn wir heute nicht aufstehen. Die Vergangenheit hat mich dies gelehrt: Die Kirchen haben in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts zu lange geschwiegen. Und dann war es zu spät.

Das auf Vertrauen aufbauende Miteinander der Menschen in unserer Gesellschaft ist in großer Gefahr. Die Worte von namentlich bekannten Rädelsführer*innen verführen die Verführbaren dazu, Menschen mit Hassgefühlen gegenüberzutreten, weil ihre Sprache eine andere ist, ihr Glauben ein anderer und ihre Kultur eine andere. Vor Gott sind alle Menschen gleich und vor unseren Gesetzen auch, das eint unsere Wertegemeinschaft.

Dass sich die gleichen Wortführer*innen dieser menschenverachtenden Diktate dann ihrer Verantwortung entledigen, wenn die Verführbaren ihre Worte in Taten umsetzen und Gewalt anwenden gegen unbescholtene Menschen, ist eine miese Taktik ihrer Vorgehensweise.

Mein Anspruch an mich selbst ist, dass meine Angst mich bestärkt, die Würde, die Einzigartigkeit jedes Menschen sowie die Vielfalt menschlicher Lebenswirklichkeiten zu schätzen und zu schützen. Und ich weiß, dass uns dies hier heute miteinander verbindet. Denn dieser Anspruch ist kein exklusiv christlicher. Die Menschenwürde und der Respekt vor der Realität diverser Lebenswirklichkeiten und Glaubensbekenntnisse sind genuin menschliche Selbstverständlichkeiten.

Ich bin sehr dankbar, dass ich meine Werte und meine Überzeugungen einbringen, teilen und überdenken kann mit so vielen anderen Menschen in unserer Stadt, deren Lebenshintergründe andere sind. Ohne diesen bereichernden Austausch mit Menschen anderer Herkunft, anderer Religion, anderer kultureller Erfahrungen, würde das Leben verarmen. Nichts ist gefährlicher als die Verabsolutierung eigener Überzeugungen. Dass ein solcher dialogischer Lernprozess in unserer Stadt möglich ist, darf nicht in Gefahr gebracht werden durch einige wenige rechtsradikale Blender, die nur eines im Sinn haben: unsere Gesellschaft zu spalten und unser Bemühen um ein friedliches Miteinander zu untergraben.

Als die Welt in der Gefahr stand, im Sumpf von Egoismus und Selbstüberschätzung auseinanderzubrechen, so erzählt es eine biblische Geschichte, da schützte Noah die Vielfalt der Schöpfung dadurch, dass er von allen Lebewesen ein Paar auf seiner Arche rettete. Keine Gattung sollte verloren gehen. Und Jahwe malte als Zeichen des Friedens einen Regenbogen in den Himmel. Der Regenbogen besteht aus vielen Farben, aber die Farbe „braun“ gehört definitiv nicht dazu. Braun ist keine Farbe des Regenbogens.

So wichtig ein ernstes Angstempfinden ist, so ist es doch kein Selbstzweck, denn Angst will überwunden werden. Heute erstrahlt vom Kirchturm besagter Kirche eine Leuchtschrift: „Don’t worry“, „Habt keine Angst!

Bestärken wir einander mit diesem Mut: Angetrieben von einer verständlichen und nachvollziehbaren Angst, angstfrei den menschenverachtenden Parolen unser Selbstverständnis von einem friedlichen Miteinander der Kulturen und Religionen gegenüber zu stellen.

 

Christoph Simonsen